Juden in Magdeburg
957?: vermutliche Gründung der ersten jüdischen Gemeinde zu Magdeburg – Ort: das „Judendorf am Sudenburger Tor (Nähe Hasselbachplatz/siehe auch Ausgrabung des Sudenburger Tores an der Danzstr), direkt dem Erzbischof zugeordnet, nicht dem Magistrat.
965: Urkunde Otto des Großen über Juden in Magdeburg „Magdeburg verdankt seine wirtschaftliche Bedeutung jüdischen Kaufleuten“ (Dr. Ursula Homann).
1207: Erzbischof Albrecht II. von Magdeburg (1207 bis 1232) – „Wie freundlich dieser Erzbischof Juden gesonnen war, zeigt folgende Anekdote: “Als er von einem Besuch aus Rom heimkehrte, gingen ihm die Juden von Magdeburg entgegen, und er bezeugte ihnen seine Achtung, indem er ihr Gesetzbuch, die Tora, küsste.” (Homann)
1260: Verfolgung unter Erzbischof Ruprecht (1260-1266) aus Geldgier: Überfall beim Laubhüttenfest und Ausplünderung der Juden
1350 und 1384: Ausbruch der Pest, an der die Juden Schuld tragen sollten – Plündern und Niederbrennen des Judendorfes
1410: Erzbischof Günter (1403-1440) gibt den Juden einen Schutzbrief für sechs Jahre
1450: Verfügung von Nikolaus Cusanus (Kardinal und päpstlicher Legat seit 1450): Juden müssen besondere Abzeichen tragen (Hüte? Gelber Kreis?) – es ist nicht sicher, ob das auch in Magdeburg so geschah.
1493: Vertreibung aller Juden (1400 Personen) aus Magdeburg unter Erzbischof Ernst (1476-1513); aus der Synagoge wird eine „Marienkirche“, das Judendorf wird „Mariendorf“; 1550 wird es völlig zerstört. Aufenthaltsverbot für Juden in Magdeburg.
1631: Zerstörung Magdeburgs: weiter Aufenthaltsverbot für Juden
1705: König Friedrich I.: Der „Schutzjude“ Abraham Liebmann darf in der Stadt Handel treiben, später wenige weitere „Schutzjuden“.
1806: Napoleon regiert. Juden dürfen einwandern, 1809 sind es 84 Familien, u.a. aus Warschau, Halberstadt und Anhalt.
21. März 1808: Erlass von König Jerome: „Wir … haben in Erwägung, dass die Juden nicht ferner eine getrennte Gesellschaft im Staate ausmachen dürfen, … sich mit der Nation, deren Glieder sie sind, zu verschmelzen…“. Ordnung des Lebens der jüdischen Gemeinschaft und deren Gottesdienste.
1834-1862: Rabbiner Ludwig Philippsohn (1811-1889), Lehrer, ab 1839 Rabbiner, “ein überzeugter Verfechter humanitärer und liberaler Ideen” und “ein eifriger Wortführer für die Rechte der Juden”.
1847-1856: Neuordnung und Selbständigkeit der Gemeinde – 1850 erste Wahlen zu Vorstand und Repräsentantenversammlung
1851: Erste Synagoge (800 Mitglieder)
1862 bis 1867: Rabbiner Dr. Moritz Güdemann
1867 bis 1904: Rabbiner Dr. Georg Rahmer
1897: Ausbau der Synagoge zum „maurischen Tempel“ (2000 Mitglieder) mit Orgel und Chor. Zugleich neue Schulräume für den Religionsunterricht im daneben errichteten Gemeindehaus. 1906 bis 1939 Rabbiner Dr. Georg Wilde
1914 bis 1918: Erster Weltkrieg Aus der Synagogengemeinde Magdeburg fielen „für Kaiser und Reich“ 36 junge Männer (Gedenkstätte auf dem Israelitischen Friedhof)
1925/26: „Affäre Blum“ (DEFA-Film) – Justizskandal in Magdeburg um den fälschlich des Mordes angeklagten jüdischen Unternehmer Rudolf Haas
1933: 2300 Mitglieder hat die jüdische Gemeinde (1945 sind es nur noch 83)
1. April 1933: Erster Boykott der jüdischen Geschäfte / Gesetz über das „Berufsbeamtentum“: Juden nicht als Beamte
1935: „Nürnberger Rassengesetze“ – Verbot von Ehen zwischen Juden und Nichtjuden, jeglicher Art von Zusammenarbeit…
Sommer 1938: Jüdische Kinder dürfen normale Schulen nicht mehr besuchen – Jüdische Schule wird von der Stadt eingerichtet
28./29.10.1938: Zwischen 15000 und 17000 „polnische“ Juden werden aus Deutschland ausgetrieben, über 70 auch aus Magdeburg
9. November 1938: Zerstörung der Synagoge; Vernichtung aller Bücher, Akten, Gegenstände des Gottesdienstes und der Inneneinrichtung.
10. November 1938: An die 120 jüdische Männer Magdeburgs werden verhaftet und in das KZ Buchenwald verbracht mit dem Ziel, ihre Ausreise zu erzwingen.
Dez. 1938 bis August 1939: „Kindertransporte“ nach England, durch die auch viele Magdeburger Kinder gerettet, aber von ihren Eltern getrennt werden.
1. Januar 1939: Verbot jüdischer Geschäfte, Unternehmen, Arztpraxen usw. – „Arisierung“; Juden müssen als zusätzlichen Vornamen den Namen “Israel” (für männliche Personen) oder “Sara” (für weibliche Personen) annehmen
Anfang 1939: “Judenhäuser” und jüdische Wohngebiete werden eingerichtet.
Sommer 1939: Einrichtung einer jüdischen Schule im Gemeindehaus Große Schulstr. 2b
19. September 1941: Im Deutschen Reich wird der “Judenstern” als obligatorisches Kennzeichen für alle Juden vom sechsten Lebensjahr an eingeführt
23. Oktober 1941: Ausreisen ist Juden nicht mehr gestattet
13./14. April und 11. Juli 1942: Zwei Magdeburger Transporte in das Warschauer Ghetto
18. und 25. November und 2. Dezember 1942: Deportation aus MD in das „Altersghetto“ Theresienstadt
22./26. Februar 1943: größter Magdeburger Transport nach Auschwitz
10./11. Januar 1944: letzte Deportationen aus Magdeburg – nach Theresienstadt
14. Juni 1944 bis 13. April 1945: Arbeitssklavenlager für Frauen in der Polte OHG, ab Nov. ausländische Jüdinnen; Munitionsfabrik (Häftlinge aus Ravensbrück/ Riga-Kaiserwald / Auschwitz und Stutthof mit 3100 Frauen, später auch 600 Männern, etwa 600 Überlebende).
17. Juni 1944 bis 9. Februar 1945: Arbeitssklavenlager „Magda“ in Rothensee; Bombenräumung; BRABAG; ungarische Juden (KZ-Außenstelle von Buchenwald mit 2175 jüdischen Zwangsarbeitern; 550 kamen um)
16. Januar 1945: Zerstörung Magdeburgs
18. April 1945: Die Amerikaner befreien Magdeburg – Ende der Nazizeit
8. Mai 1945: Kapitulation/ Tag der Befreiung. Die Synagogengemeinde beginnt neu mit etwa 80 Mitgliedern; Auskunftsstelle für Angehörige in aller Welt… Zunächst Klausener Straße, ab 1969? Gröperstr. 1a
9. November 1988: Mahnmal im Gedenken an die am 9. November 1938 zerstörte Synagoge wird eingeweiht.
Nach 1990: Einwanderung von russischen Juden beginnt – die Synagogengemeinde wächst. 2010 etwa 600 Gemeindeglieder (ehemals russische Juden), Gemeindehaus Gröperstr. 1a
27. Januar 2001: Einweihung des Rothenseer Mahnmales.
18. März 2007: Erste „Stolpersteine“ zum Gedenken an in der Nazizeit ermordete jüdische Magdeburger verlegt.
Oktober 2007: Erste Woche der Jüdischen Kultur und Geschichte in Magdeburg (Forum Gestaltung)
27. Januar 2008: Neue Gedenktafel am Tor des ehemaligen Frauen-KZs für die Firma Polte OHG eingeweiht.
nach 1806
Erste Gemeindeglieder:
- Familie Samuel Isaak Elbtal (Schutzjude Samuel Isaak)
- Familie Alenfeld
- (Schächter Joseph Lazarus)
- Michael Scheier, Patschierstecher
- Israel Brill Schlesinger, Bankier
- Itzig Sußmann
- Lazarus Steinthal (s. Urkunde)
- Viele weitere (so dass es einigen eher Angekommenen fast zuviel wird)
- Syndici: Sußmann und Elbtal
- 1807-1839 Kaufmann G. S.Spier wird viermal als Stadtverordneter gewählt, danach A. E.Max bzw. dessen Sohn Gustav Max
- Okt. 1809 84 Familien
- 1810 255 Seelen
- 1811 288 Seelen
- 1815 /1816 Israelitischer Friedhof
- Um 1840 599, 1850 850 Mitglieder;
- 1847 „Gesetz über die Verhältnisse der Juden“ die Bürger mosaischen Glaubens erhalten diegleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten zugesprochen wie ihre Mitbürger.
- 26.1.1850 Erste Wahl zur Repräsentanz
- 1856 Statut
Rabbiner
- Isaak Heilbronn (1809-1822)
- Moses Salomon (Kantor; 1822-1839)
- Dr. Ludwig Philippson (1834-1862; + 1889 in Bonn)
- Dr. Moritz Güdemann (1862-1867; + 1918 in Wien)
- Dr. Moritz Rahmer (1867-1904)
- Dr. Siegfried Grzymisch (Rabbinatsverweser 1903-1906; Rabbiner in Bruchsal, 1944 in Auschwitzermordet)
- Dr. Georg Wilde (1906-1939; Feldrabbiner im Ersten Weltkrieg; + 1952 in London)
Magdeburger Synagoge
- Kleine Münzstr. 5
- Prälatenstr. 27
- 1849 Kauf eines Grundstücks (ehem. Tägtmeyerscher Garten) zu 8000 Talern
- 19.9.1850 Grundsteinlegung
- 14.9.1851 Einweihung
- 14.10.1896: Beschluss: Gemeindehaus und Vergrößerung und Erweiterung der Synagoge
- 26.9.1897 Einweihung der neuen Synagoge mit Orgel
- 9.11. 1938 Zerstörung
Kantoren / Lehrer
- Moses Salomon (+1839)
- Hölzel (1839-1843)
- A. Nathansohn (1843-1880)
- Salomon Winter (1879-1909;+1910 in Berlin)
- Wilhelm Friedmann (1909-1914 ; ab 1914 in Berlin)
- Georg de Haas (1914-1918; ab 1918 Kaufmann in Hamburg)
- Meyer (Max) Teller (1919-1939; + ermordet in Auschwitz)
- Hermann Spier (1939-1942; Deportation in das Ghetto Warschau, ermordet in Treblinka
Zusammenstellung: Waltraut Zachhuber, September 2012