Synagoge Magdeburg
Die Magdeburger Synagoge
Im Gemeindehaus der jüdischen Gemeinde in der Gröperstraße 1a befindet sich seit etwa Ende der 1990er Jahre eine kleine Synagoge. Sie wird von der seit der Wiedervereinigung wachsenden Magdeburger Gemeinde als religiöses Zentrum genutzt.
Im Allgemeinen wird im Judentum eine Synagoge als spirituelle Entsprechung des zerstörten Jerusalemer Tempels angesehen, worauf auch einige Ausstattungsobjekte hinweisen. Neben dem eigentlichen Gebetssaal verfügt eine Gemeinde meistens auch über verschiedene andere Räumlichkeiten, die dem Gemeindeleben dienen. Dazu gehören ein Speise- und Veranstaltungsraum, Räume für den Religionsunterricht und für die Durchführung sozialer bzw. caritativer Arbeit.
Der hier vorgestellte, virtuelle Rundgang soll den Gebetsraum der Magdeburger Synagoge interaktiv erfahrbar machen und Einblick in jüdische Liturgie, Theologie und Geschichte geben.
Sitzbereich der Frauen
In orthodoxen Synagogen gilt eine obligatorische Sitzordnung, nach der Frauen und Männer getrennt voneinander dem Gottesdienst beiwohnen. Je nach Raumbeschaffenheit befindet sich der Sitzbereich der Frauen in einem seitlich angrenzenden Bereich oder z. B. auf Emporen. Er besitzt meistens einen dünnen Vorhang oder eine durchlöcherte Trennwand, sodass die Frauen den Gottesdienst verfolgen können, aber von den Männern nicht gesehen werden können. Nach traditionellem Verständnis soll dadurch ermöglicht werden, dass sich die Männer vollständig auf den Gottesdienst konzentrieren können.
Sitzbereich der Männer
In orthodoxen Synagogen gibt es einen speziellen Sitzbereich für Männer. Damit ein gemeinsamer, öffentlicher Gottesdienst stattfinden kann, müssen mindestens zehn religiös mündige (also mindestens 13 Jahre alte), männliche jüdische Beter anwesend sein. Kommt ein solches Quorum (Minjan) nicht zustande, können einige Gebete wie das Kaddisch nicht gesprochen und die Tora nicht verlesen werden.
Schrank mit Gebetsbüchern
Die Gebete stehen im Siddur (Hebräisch: „Ordnung“), dem traditionellen Gebetbuch der Juden. Nach jüdischem Ritus ist ein im religiösen Sinne volljähriger Mann verpflichtet, täglich dreimal bestimmte Gebetstexte zu sprechen: morgens (Schacharit-Gebet) nachmittags (Mincha-Gebet) und abends (Maariw-Gebet). Am Schabbat, dem jüdischen Ruhetag, und an jüdischen Feiertagen ist das Gebet feierlicher und länger. Für Frauen gelten unterschiedliche Vorschriften hinsichtlich der Anzahl täglich zu verrichtenden Gebeten.
Zu den wichtigsten Gebeten, die dreimal am Tag gesprochen werden, zählt das Amida oder Schmone-esre-Gebet Achtzehnbittengebet. Die Gebete dürfen jeweils nur in bestimmten Zeiträumen gesprochen werden.
Bima
Die Bima (Hebräisch: „Podest“) ist der Platz, von dem aus während des Gottesdienstes aus der Thora vorgelesen wird. Die Bima befindet sich in vielen Synagogen in der Mitte des Raums, in anderen unmittelbar vor dem Thoraschrank und bildet das liturgische Zentrum. Die Bima besteht stets aus einem erhöhten Podest, einem Tisch zum Ausrollen und Verlesen der Thora sowie aus einer Treppe für den Auf- und Abgang: montags, donnerstags und an besonderen Tagen wie Schabbat oder jüdischen Feiertagen wird im Rahmen des Morgengebetes in der Synagoge ein Abschnitt aus der Thorarolle auf Hebräisch verlesen, an manchen Tagen, wie am Schabbat, auch im Rahmen des Nachmittagsgebetes.
Amud
Der Amud (Hebräisch: „Pfeiler“) ist Bestandteil jeder Synagoge und wird in der Regel im vorderen Bereich der Synagoge angebracht. Er dient dem Vorbeter bzw. Chasan (Hebräisch: „Kantor“) als Lesepult.
Menora
Die Menora (siebenarmiger Leuchter) gehört zu den wichtigsten jüdischen Symbolen. Für die Ausstattung einer Synagoge ist sie jedoch nicht verpflichtend. Die Menora wird bereits in der Thora im Buch Exodus beschrieben: Moses erhält von Gott den Auftrag, einen siebenarmigen Leuchter für den transportablen Tempel (Mischkan) anfertigen zu lassen. Während ihrer vierzigjährigen Wanderung trugen die Israeliten das transportablen Tempel mit der Menora stets mit sich, bis sie schließlich im Tempel in Jerusalem seinen Platz fand. integriert wurde. Nach der Zerstörung des Tempels im Jahre 70 der allgemein üblichen Zeitrechnung durch die Römer wurde sie als Beutestücke auf dem Triumphzug des Titus in Rom präsentiert.
Ner Tamid
Das Ner Tamid (Hebräisch „Ewiges Licht“) gehört in jede Synagoge. Es erinnert an den siebenarmigen Leuchter (Menora), der ständig im Jerusalemer Tempel brannte und wird üblicherweise vor dem Toraschrein an Ketten aufgehangen. Das Ewige Licht als Symbol für die ständige Gegenwart G“ttes spielt ist auch in jeder katholischen Kirche zu finden.
Thoraschrein
Der Hechal (Hebräisch: „Heiliger Schrein“) ist der Aufbewahrungsort der Thora (Schriftenrolle) und zentraler Bestandteil einer jeden Synagoge. Der Thoraschrein ist stets Richtung Jerusalem gerichtet und wird mit einem kunstvoll bestickten Vorhang bedeckt. Der Vorhang der Magdeburger Synagoge stammt aus dem 19. Jahrhundert und wurde bereits in der Alten Synagoge verwendet, die 1938 während der Novemberpogrome zerstört und später gänzlich abgerissen wurde. Am jüdischen Fasttag Tischa be Av bleibt der Thoraschrank zum Zeichen der Trauer offen und wird vom Vorhang nicht bedeckt, ähnlich dem karfreitags geöffneten, leeren Tabernakel in der katholischen Kirche. Während der zehn Tage der Umkehr zwischen den Feiertagen Rosch ha-Schana und Jom Kippur wird der Thoraschrein mit einem weißen Vorhang bedeckt.
Thora
Die Thora enthält, die auf Hebräisch verfassten, fünf Bücher Mose, die auch Teil der christlichen Bibel (Altes Testament) sind. Für die Herstellung einer auf Pergament geschriebenen Tora benötigt ein dazu ausgebildeter Schreiber ca. ein Jahr. Im jüdischen Gottesdienst wird aus der Tora in Form eines speziellen liturgischen Sprachgesanges (Teamim) rezitiert. Die 5 Bücher Moses sind in 54 Parashiot (Abschnitte) unterteilt, die nach einem festen Plan über das gesamte liturgische Jahr verteilt gelesen, wobei am jüdischen Feiertag Simcha Thora (Hebräisch: „Freude der Thora“) der letzte Abschnitt des fünften und der erste Abschnitt des ersten Buches Mose verlesen wird und damit das neue liturgische Jahr beginnt.
Zehn Gebote
Wie die Christen glauben die Juden, dass Moses die Zehn Gebote als Grundlage der Thora von G“tt auf dem Berg Sinai empfangen hat. Durch geringfügige Abweichungen in der Übersetzung vom Hebräischen Originaltext unterscheidet sich der Wortlaut der Zehn Gebote im Judentum jedoch etwas von dem des Christentums. In ihrer Kurzfassung lauten die Zehn Gebote im Judentum folgendermaßen:
1. Du sollst G“tt anerkennen und an Ihn glauben
2. Du sollst keine anderen Gôtter haben neben Ihm
3. Du sollst G“ttes Namen nicht missbrauchen
4. Du sollst des Schabbats gedenken, um ihn zu heiligen
5. Du sollst deine Eltern ehren
6. Du sollst nicht morden
7. Du sollst nicht ehebrechen
8. Du sollst nicht stehlen
9. Du sollst nichts Falsches gegen deinen Nächsten aussagen
10. Du sollst nicht verlangen, was deinem Nächsten gehört
Davidstern
Obwohl der Davidstern zu den wichtigsten jüdischen Symbolen gehört, ist er kein obligatorisches Element in einer Synagoge. Benannt ist er nach dem König David und besteht aus zwei ineinander verwogenen Dreiecken, die so einen sechseckigen Stern bilden. Erst in der Neuzeit wurde der Davidstern zu einem speziell jüdischen Symbol, der als solch zahlreiche Bedeutungen hat: So symbolisieren die zwölf Ecken die zwölf Stämme Israels, die sechs Dreiecke für die sechs Schöpfungstage und das Sechseck in der Mitte für den siebten Tag (Ruhetag).
Alte Synagoge
Die im Rahmen der Novemberpogrome 1938 im Inneren zerstörte alte Synagoge wurde im Frühjahr 1939 abgerissen, wobei die Abrisskosten durch die jüdische Gemeinde selbst aufgebracht werden mussten. Von dem Gebäude haben sich lediglich einige Fotos erhalten, welche u. a. nach den Zerstörungen 1938 gemacht wurden. Der hier gezeigte, virtuelle Rundgang durch die Alte Synagoge rekonstruiert den Zustand des Gotteshauses unmittelbar vor seiner Zerstörung und versteht sich damit auch als digitaler Beitrag zur Gedächtniskultur.
Nachdem der 1851 eingeweihte Ursprungsbau für die angewachsene jüdische Gemeinde der Stadt zu klein geworden war, wurde 1894 ein Architekturwettbewerb für einen Neubau ausgeschrieben. Geplant waren ein 1.300 Personen Platz bietender Sakralraum, eine Religionsschule sowie zahlreiche Nebenräume nebst einer Küsterwohnung. Sieger des Wettbewerbs waren die beiden Berliner Architekten Wilhelm Cremer (1845–1919) und Richard Wolffenstein (1846–1919). Die jüdische Gemeinde entschloss jedoch gegen einen Neubau zugunsten eines Umbaus des bestehenden Gebäudes. Dazu wurde der Magdeburger Architekt Alf Hurum (1862–1917) beauftragt, der die Synagoge im maurisch-orientalischen Stil umgestaltete und erweiterte.
Zum Gedenken an die 1938/1939 zerstörte Synagoge wurde an ihrem ehemaligen Standort in der Magdeburger Altstadt 1988 ein Denkmal vom Künstler Josef Bzdok aufgestellt. Seit 1999 heißt dieser Platz „An der Alten Synagoge“.
Neue Synagoge
Bis zum Jahr 2023 soll ganz in der Nähe des Standortes der alten Synagoge die neue Magdeburger Synagoge entstehen, die der in den letzten Jahrzehnten angewachsenen jüdischen Gemeinde Platz bieten. Der Entwurf des Neubaus stammt vom Magdeburger Architekturbüro Sattler + Täger und bietet Platz für 100 Gläubige.
Zur Homepage des Fördervereins „Neue Synagoge Magdeburge e.V.“
(www.fuer-synagoge-md.de)
Impressum
Herausgeber: Synagogen-Gemeinde zu Magdeburg K.d.Ö.R.
Konzeption: Dr. Alexander Grychtolik
Fotopanoramen und Video: Christian Fleischer, Audiovisual Elements
Danksagung: Waltraud Zachhuber, Leo-Baeck-Institut (New York)
Rekonstruktion und Visualisierung der Alten Synagoge: Andreas Hummel, arte4D
Mediengestaltung und Programmierung: Friedrich Lux, Halle
gefördert durch:
Chanukka-Fest
Quiz
Tallitt / Teffilin
Rosch ha-Schana
Segensspruch zum Entzünden der Sabbatkerzen
Gedenktafel
Gedenktafel für gefallene Gemeindemitglieder des I. Weltkriegs